Minimal invasive Eingriffe für mehr Leben

    Prof. Dr. Nicolas Diehm ist Co-Leiter des Zentrums für Gefässmedizin Mittelland AG in Aarau, das er im April 2016 mit seinen Ärztekollegen Dr. med. Hak Hong Keo und Dr. Christian Regli eröffnet hat. Behandelt werden vor allem Patienten, die an den Folgen von Durchblutungsstörungen leiden. Dazu gehört unter anderem auch die erektile Dysfunktion bei Männern, die bisher oft ein Tabuthema war.

    (Bilder: zVg) Erkrankungen der Arterien, Venen und Lymphgefässe sind das Hauptgebiet von Prof. Dr. med. Nicolas Diehm

    Prof. Dr. Nicolas Diehm, Erkrankungen der Arterien, Venen und Lymphgefässe sind Ihr Kerngebiet. Können Sie Ihre Tätigkeit in wenigen Worten umschreiben?
    Wir behandeln sämtliche Gefässerkrankungen ausserhalb des Herzens. Hierzu gehören Krampfadern, Thrombosen, Lungenembolien, die Schaufensterkrankheit, Gefässerweiterungen (Aneurysmen), geschwollene Beine, offene Beine (Ulcus cruris) und Gefässablagerungen an der Halsschlagader, die zu Schlaganfall führen können.
    Im Rahmen von minimal-invasiven Eingriffen erweitern wir mit klinischer und interventioneller Angiologie verengte Gefässe im Bauch-, Becken-  und Beinbereich. Die Technik des «Ballönle» – im Fachjargon Angioplastie – wurde im Wesentlichen von Schweizer Forschern vorangetrieben. Dank ihr können wir heute verengte Blutgefässe, die im schlimmsten Fall zum Tod führen würden, mit minimalen Eingriffen erweitern und aufdehnen.

    Merkt ein Patient überhaupt, wenn eine Arterie oder Vene verstopft ist?
    Ja. Am häufigsten ist die sogenannte «Schaufensterkrankheit». Weil die Adern im Bein verstopft sind, muss man plötzlich alle 200 Meter stehen bleiben und tut so, als ob man eine Auslage anschaut. Weil es einem peinlich ist. Ursache sind aber Durchblutungsstörungen in den Beinen, die sehr schmerzhaft sein können und sich wie ein Muskelkater anfühlen. Wenn’s ganz schlimm wird, tun die Beine auch in Ruhestellung weh und Wunden heilen nicht mehr, weil die Durchblutung so schlecht ist.

    Sind Krampfadern bloss ein kosmetisches Problem, oder muss man sie entfernen lassen?
    Es geht nicht darum, wie eine Krampfader aussieht, sondern was sie auslöst. Wer Knöchelschwellungen, Hautablagerungen und andere Begleiterscheinungen hat, sollte sich behandeln lassen. Gefährlich sind Krampfadern in den meisten Fällen nicht. Wir entfernen sie bei Bedarf mit minimalen ambulanten Laserbehandlungen. Der Patient ist nach dem Eingriff fast immer sofort wieder arbeitsfähig.

    Haben Gefässerkrankungen in den letzten Jahren zugenommen?
    Ja. Allein in den letzten 10 Jahren sind arterielle Durchblutungsstörungen um über 20%. Das hängt einerseits damit zusammen, dass die Menschen immer älter werden. Und andererseits mit mangelnder Bewegung und ungesunder Ernährung, die zu Diabetes und Übergewicht führt. Beides fördert Gefässerkrankungen massiv.

    (Bild: zVg) Dr. med. Hak Hong Keo, M.SC., Prof. Dr. med. Nicolas Diehm, MBA, und Dr. med. Christian Regli, Gründer und Inhaber des Zentrums für Gefässmedizin Mittelland in Aarau

    Welche Leiden sind ganz besonders im Vormarsch?
    Wir behandeln immer mehr Männer mit erektiler Dysfunktion, die oftmals von einer Durchblutungsstörung herrühren kann. Davon sind vor allem Raucher und Patienten mit hohem Cholesterin-Spiegel oder mit hohem Blutdruck betroffen. Oft sind sie noch relativ jung. Potenzmittel wie Viagra nützen in der Regel nicht viel, wenn die Durchblutung gestört ist.

    Was können Sie konkret dagegen unternehmen?
    Seit einigen Jahren sind wir in der Lage, die feinen, bloss 2 bis 3.5 Millimeter dicken Adern am Penis  mit mikrokleinem Kathetermaterial auszudehnen, ähnlich wie beim Herzinfarkt. Um sie im Becken zu finden und gezielt zu treffen, braucht es viel Erfahrung. Der Eingriff geht von der Leiste aus und findet unter örtlicher Betäubung statt. In der Regel dauert er rund 1 bis 2 Stunden. Der Patient muss danach etwa 4 Stunden liegen und zur Rekonvaleszenz insgesamt zwei Nächte im Spital verbringen. Danach ist wieder alles möglich.

    Bleiben die Gefässe offen, wenn sie einmal erweitert wurden?
    Leider nicht unbedingt. In der Hälfte aller Fälle ziehen sich die Gefässe schon kurz nach dem Eingriff wieder zusammen. Aber das sehen wir sofort. Wenn dem so ist, implantieren wir einen Stent. Das ist eine feine Gefässstütze aus Drahtgitter, die die Adern schient und von Innen offen hält.

    Wie stellt man fest, ob Stress oder eine Gefässverengung Grund für eine Impotenz ist?
    Wir machen eine völlig schmerzfreie Durchblutungsmessung per Ultraschall. Im Zweifelsfall zeigt eine Computertomografie, wo die Durchblutung schlecht ist. So können wir in Ruhe einen allfälligen Eingriff zur Verbesserung der Erektion planen.

    Sind Männer offen zu Ihnen, wenn sie Erektionsprobleme haben?
    Leider nicht viele. Sie schämen sich, recherchieren auf eigene Faust im Internet und fallen oft auf einen Haufen Heilsversprechungen herein, die meistens nichts bringen.

    «Schlechter Sex – gehen Sie zum Arzt» steht auf einem Plakat in Deutschland. Trifft diese Parole zu?
    Eindeutig ja. Eine erektile Dysfunktion aufgrund von verstopften Gefässen ist oft Anzeichen für Diabetes oder gefährlich hohe Cholesterinwerte. 70 % aller Menschen, die einen Herzinfarkt hatten, litten vorher an Erektionsproblemen, die heutzutage gut behandelbar sind. Sofern man dazu steht und beim Arzt frühzeitig die notwendigen Abklärungen macht.

    Interview: Ursula Burgherr

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