US-Zollkrise: Die Schweiz kann mehr


    Wermuths Roter Faden


    (Bild: zVg)

    Die Schweiz ist doch kein Sonderfall. Mehrere Generationen sind gross geworden in der Überzeugung, die Schweiz habe mit dem Rest der Welt nicht so viel zu tun. Von Krisen würde das Land generell verschont. Der historische Zufall – vor allem der glimpfliche Verlauf der beiden Weltkriege für die Schweiz – wurde umgedeutet in ein Erfolgsrezept: Sich nicht einmischen, am Rande der Weltpolitik bleiben, Geschäfte machen ja, aber sich mit niemandem zu eng einlassen. Mit Trumps Zollhammer ist das Land brutal in der Realität aufgewacht. Was Bundespräsidentin Keller-Sutter vor kurzem «Navigieren zwischen den Blöcken» nannte, entpuppt sich als fatale Orientierungslosigkeit. Vermeintliche Stärken wurden über Nacht zu fatalen Schwächen. Mindestens drei Illusionen des bisherigen Sonderfalls müssen daher rasch korrigiert werden.

    Die Schweiz muss sich für Europa entscheiden.
    Trumps Zollkrieg hat die Illusion zerstört ohne Freunde in Europa ginge es uns besser. Gerade der politische Alleingang hat das Land zur Zielscheibe gemacht. Zu lange glaubte die Schweiz, ihr Heil bestehe darin, abseits zu stehen und europäische Bemühungen zu Klimaschutz, Steuerharmonisierung oder Regulierung der Digitalkonzerne zu unterlaufen. Damit muss sie endlich aufhören. Europa ist geografisch wie politisch alternativlos. Unsere verlässlichsten Partner sind unsere Nachbarn. Das ist und soll eine Chance sein. Die ersten Schritte dafür liegen auf dem Tisch: Es ist dringend, die Beziehung zur EU so rasch wie möglich zu stabilisieren und die sicherheitspolitische Anbindung an die USA zu korrigieren, indem die Beschaffung des Trumps-Jets F-35 abgebrochen wird.

    Die Schweiz muss für die Welt Verantwortung übernehmen.
    Zu lange herrschte der Irrglaube die Neutralität würde es uns erlauben, mit allen Geschäften zu machen ohne Verantwortung zu übernehmen. Auch das ist vorbei. Die Schweiz kann sich nicht mehr durchwursteln. Als Kleinstaat hat die Schweiz ein vitales Interesse daran, sich aktiv für den Primat des Völkerrechts einzusetzen – in der Ukraine, im Sudan oder in Gaza gleichermassen. Es sind die kleinen Staaten, die multilaterale Lösungen und die UNO brauchen. Die bürgerlichen Pläne sind deshalb fatal, im nächsten Staatsbudget bei den internationalen Organisationen und der Entwicklungszusammenarbeit noch mehr zu kürzen. Wer ernsthaft die Sicherheit der Schweiz verteidigen will, muss zuallererst glaubwürdig Armut und Krieg in der Welt bekämpfen.

    Die Schweiz kann mehr sein als Verrichtungsbox für das globale Kapital.
    Die herrschenden Ungleichgewichte in der globalen Wirtschaft sind tatsächlich ein Problem. Die Schweiz hat davon dieser Entwicklung stark profitiert, in dem sie sich als Tiefsteuer- und Regulierungswüste für Grosskonzerne angeboten hat. Als Verrichtungsbox für das globale Kapital. Diese Abhängigkeit wird zum Boomerang. Das Wirtschaftsmodell ist auch innenpolitisch nicht nachhaltig. Druck nach oben auf die Mieten, Verdrängung der Menschen durch Busniess-Apartments aus den Städten, unterentwickelte Kita-Infrastrukturen, Druck nach unten auf Löhne und Renten sind die Folge. Was wir jetzt brauchen, ist eine mutige Investitionsstrategie in digitale Souveränität, erneuerbare Energien, familienfreundliche Infrastrukturen und die Stärkung der Binnennachfrage (Löhne und Renten rauf, Mieten runter). Es ist klar, dass es dafür eine pragmatischere Finanzpolitik braucht. Die überharte Schuldenbremse verunmöglicht zukunftsgerichtete Investitionen und damit den notwendigen Befreiungsschlag.


    Zur Person: Cédric Wermuth lebt mit seiner Familie in Zofingen, im Kanton Aargau. Er ist seit 2020 Co-Präsident der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz. Seit 2011 ist er Nationalrat und er vertritt die SP in den Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben (WAK) und Finanzen (FK).

    Vorheriger ArtikelHelfen Sie im Kampf gegen den US-Zollhammer!
    Nächster Artikel«Swissness ist wegen den Zöllen wieder gefragt»